Barbara Büscher: Live Electronic Arts und Intermedia: die 1960er Jahre (2002) [German]

28 April 2012, dusan

“Die in der Geschichte der Künste als Neoavantgarde der frühen 1960er Jahre bezeichneten Entwicklungen der Grenzüberschreitung und Prozessorientierung bilden in exemplarischen Analysen das Zentrum des Gegenstandsbereichs dieser Arbeit. Sie umfassen sowohl die grundlegenden Innovationen, die – von John Cages Ideen und Konzeptionen angestoßen – die Arbeit der Komponisten/Performer der Live Electronic Music prägten, wie die Erweiterung der künstlerischen Materialien und Veränderung der Verfahren der Bildenden Kunst seit Happening und Fluxus. Sie umfassen die minimalistischen Verschiebungen des Verständnisses von Körper-Bewegung und Objekten in der Tanz/Performance vor allem der New Yorker Judson Dance Group und die performative Erforschung der Grundlagen von Kino/Film-Wahrnehmung im Expanded Cinema.

An diesen drei Bereichen wird eine doppelte historische Bewegung aufgezeigt: zum einen die des Durchstreichens, Verschiebens, Ersetzens konventionalisierter Parameter und Wert-Hierarchien; zum anderen eine durch den Entwicklungsschub technischer Medien und deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Wahrnehmung angestoßenes Interesse an der Verbindung von Kunst und Medien. Eine wichtige Schnittstelle dieser Entwicklungen manifestiert sich in den Aufführungen der inzwischen legendären Nine Evenings: Theatre and Engineering, die 1966 in New York stattfanden. Die Analyse dieses Ereignisses, des Arbeitsprozesses, der ihm vorausging und an dem in gleicher Weise Künstler und Ingenieure beteiligt waren, wie der einzelnen Performances bildet einen Ausgangspunkt dieser Untersuchung.

Dass Systemtheorie und Kybernetik als Denkmodelle für die Kunstproduktion erschlossen werden sollten, lässt sich nicht nur anhand der Manifestationen dieses Ereignisses zeigen, sondern auch anhand der Analyse zeitgenössischer Diskurse im Kunstfeld nachweisen. Live Electronic Arts heißt in diesem Zusammenhang: das unmittelbar (aktuell) vorgeführte Handeln mit technischen Medien in einer performativen Anordnung. Diese Verbindung wird von den Künstlern selbst als Mensch/Maschine-Kopplung verstanden – der Konstruktionsprozess wird zu einem wesentlichen Bestandteil künstlerischer Strategie. Der Einbezug zeitgenössischer Technologien wird so nicht als Frage nach der Neuartigkeit von Darstellungsmodi relevant, sondern als eine Frage nach Prozessen des Regelns, Steuerns und der Signalübertragung (control&communication) – also nach den Prozessen, die das Agieren mit ihnen strukturieren.

Ausgehend von den Nine Evenings und der an ihnen beteiligten Künstler – Musiker, Tänzer und Choreographen sowie Bildende Künstler und Filmemacher – widmet sich die Arbeit in detaillierter Untersuchung den Versuchsreihen der einzelnen Künstler, denen die experimentellen Performances zugerechnet werden können. Sie zeigt für alle drei Bereiche – Live Electronic Music, die performativen Praktiken der Judson Dance Group und Expanded Cinema – unter welchen Bedingungen, ein Interesse und die Arbeit an der Kopplung von Körper-Bewegung und technischen Systemen entstand.”

Live Electronic Arts und Intermedia: die 1960er Jahre. Über den Zusammenhang von Performance und zeitgenössischen Technologien, kybernetischen Modellen und minimalistischen Kunst-Strategien
Habilitationsschrift an der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig
Betreuer: Theo Girshausen
Gutachter: Inge Baxmann, Siegfried Zielinski
284 pages

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